In den letzten Jahren hat sich Virtual Reality Exposure Therapy (VRET) als ernstzunehmende Alternative und Ergänzung zur klassischen Exposition etabliert. Besonders bei spezifischen Phobien zeigt sich in der aktuellen Literatur zwischen 2022 und 2025 eine deutliche Zunahme an hochwertigen Studien, die die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit belegen. Für Therapeut:innen eröffnet sich damit ein wachsendes Spektrum an Möglichkeiten, die Exposition mit Patient:innen flexibler, sicherer und zugleich intensiver zu gestalten.
Am weitesten fortgeschritten ist die Evidenzlage bei der Behandlung von Höhenangst. Freeman et al. konnten bereits 2018 in einer großen randomisierten Studie mit 100 Teilnehmenden zeigen, dass eine vollautomatisierte VR-Intervention mit virtuellem Coach zu außergewöhnlich hohen Effektstärken führte. Die Resultate waren so eindeutig, dass die VR-Therapie der klassischen Standardversorgung überlegen war und dies mit vergleichsweise günstiger Hardware. Neuere Arbeiten, etwa von Francová et al. (2025), bestätigen diese Befunde. Standardisierte VR-Protokolle mit klar definierten Aufgaben-Sets führten zu stabilen Verbesserungen, die auch nach zwei Monaten Follow-up bestehen blieben. Besonders interessant: je stärker sich die Patient:innen in die virtuelle Umgebung einfühlten, desto besser waren die Behandlungsergebnisse.
Auch bei Tierphobien wächst die Evidenzbasis. Eine groß angelegte Studie von Schuler et al, 2025 zur telemedizinischen VRET-Behandlung von Hunde-, Schlangen- und Spinnenphobien hat erstmals gezeigt, dass Sitzungen vollständig im häuslichen Umfeld mit handelsüblichen VR-Headsets durchgeführt werden können. Diese Entwicklung ist gerade für Regionen mit geringer Versorgungslage von hoher praktischer Relevanz. Ergänzend wurden Screening-Instrumente wie die verkürzten SNAQ- und SPQ-Skalen validiert, die eine zuverlässige Diagnostik ermöglichen und gut mit klinischen Ratings korrelieren.
Ein besonders spannendes Feld ist die Emetophobie. Hier gelang Wallace et al, 2025 mit einer App-basierten VRET-Intervention ein Durchbruch: vier von sechs Teilnehmenden zeigten deutliche Verbesserungen, zwei unterschritten sogar die diagnostische Schwelle. Obwohl die Stichprobe klein war, ist dies die erste kontrollierte Evidenz für eine bislang stark unterversorgte Patientengruppe.
Von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist zudem die Nadelangst. Das britische Gesundheitssystem (NHS) hat zwischen 2021 und 2024 ein kostenloses VR-Behandlungsprogramm implementiert, das Patient:innen im Kontext von Impfungen den Zugang erleichtern sollte. Angesichts der Tatsache, dass rund zehn Prozent der Bevölkerung betroffen sind, stellen diese Programme eine vielversprechende Option dar. Parallel dazu wurden in Oxford automatisierte VR-Therapien für Jugendliche entwickelt, die im schulischen Kontext eingesetzt werden können.
Auch bei Klaustrophobie gibt es innovative Ansätze. Eine von Gaina et al., 2024 entwickelte, kostenfreie VR-App erlaubt Patient:innen, selbstständig Expositionsübungen durchzuführen. Adaptive Spielelemente steigern die Motivation, während Sicherheitsfeatures für eine kontrollierte Nutzung sorgen. Solche Lösungen zeigen, wie digitale Tools auch in niedrigschwelligen Settings Anwendung finden können.
Fazit: Zusammenfassend lässt sich festhalten: VRET ist bei spezifischen Phobien nicht nur „wirksam genug“, um die klassische In-vivo-Exposition zu ersetzen. Es ist in vielen Bereichen bereits ebenbürtig und in manchen Aspekten überlegen. Meta-Analysen der letzten zwei Jahre bestätigen große Effektstärken, die mit den Ergebnissen traditioneller Verfahren vergleichbar sind. Für die Praxis besonders relevant ist die Möglichkeit, automatisierte und telemedizinische Angebote zu nutzen, wodurch die Abhängigkeit von der unmittelbaren Anwesenheit der Therapeut:innen reduziert und die Reichweite der Versorgung deutlich erhöht wird.
Praxisrelevanz: VRET ist bereit für die klinische Routine und den alltäglichen Praxiseinsatz. Die Evidenz ist robust bei Höhenangst, Flugangst und Tierphobien, stark zunehmend bei Klaustrophobie und Nadelangst und vielversprechend bei seltenen Phobien wie der Emetophobie. Offene Fragen betreffen vor allem die Nachhaltigkeit über längere Zeiträume, die Behandlung von Komorbiditäten sowie gesundheitsökonomische Aspekte.
Ausblick: Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um standardisierte Protokolle zu entwickeln und die Vorteile der Automatisierung, Telemedizin und KI-basierten Personalisierung konsequent in die Praxis zu übertragen. VRET hat das Potenzial, die Behandlung spezifischer Phobien grundlegend zu transformieren und steht kurz davor, vom experimentellen Ansatz zum festen Bestandteil moderner Psychotherapie zu werden.